Erschienen in: Briefe aus dem Botanischen Garten der Universität Zürich
In der Schweiz essen wir pro Kopf und Jahr 11.3 kg [1] Schokolade – das ist mehr als in jedem anderen Land. Unsere Lieblingsschokolade ist die Milchschokolade. Wenn auf der Verpackung nichts anderes vermerkt ist, dann enthält diese aber nur 25% Kakaomasse [2] (Theobroma cacao L.; meist der Sorte Amelonado), wahrscheinlich aus Ghana (50%) oder aus Ecuador (24%) [1]. Ganz genau können wir dies aber nicht wissen, denn die Angabe des Produktionslandes ist zwar Pflicht, nicht aber die Angabe des Herkunftslandes oder der Sorte des Kakaos.
Kakaoanbau und Herkunft
Technik und Innovation, Standardisierung und Effizienzsteigerung trugen dazu bei, die Schweizer Milch-schokolade begehrt und berühmt zu machen. Allerdings basiert die Produktion auf wenigen Sorten aus
Monokulturen. Kakao stammt ursprünglich aus Zentral- und Südamerika, wurde von den Kolonialmächten aber weltweit verbreitet und im sogenannten Kakaogürtel (20° nördlich und südlich des Äquators) in vielen tropischen Ländern kultiviert. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist Westafrika das Hauptproduktions-Gebiet und Kakaoexportriesen wie Brasilien oder Venezuela verschwanden praktisch vom Weltmarkt. Einige wenige Konzerne kontrollieren den Handel und die Verarbeitung der Kakaomasse3. Zugang zu kleineren Anbaugebieten, die hochwertigen und geschmacklich interessanten Kakao anbauen, ist fast unmöglich geworden. Kakao aus Guatemala ist genauso schwierig zu finden wie Kakao aus Panama, den Philippinen oder Haiti.
Innovation durch mehr Kakao-Sorten

Das Ministerium für Landwirtschaft in Peru veröffentlichte 2010 die Studie «Catálogo de Cultivares de Cacao del Peru», und dokumentierte 73 Sorten, verteilt auf 5 genetische Gruppen: Criollo (4), Forastero del alto amazonas (6), Forastero del bajo amazonas (1), Nacional (6) und Trinitario (11). Weitere 45 Sorten konnten genetisch keiner der oben genannten und bekannten Gruppen zugeteilt werden und wurden neu in 6 weitere Gruppen aufgeteilt. Wie viel reicher wären unsere Supermarktregale, wenn wir anstatt zwischen Milchschokolade und dunkler Schokolade, zwischen Schokolade mit Porcelana-Kakao (Criollo, Venezuela) - oder mit Chuncho Kakao (Forastero del alto amazonas, Cusco Peru) wählen könnten! Der Erste ist fein buttrig mit Macadamia Noten, der zweite fruchtig und floral.
Innovation durch Einbezug von anderen Theobroma-Arten

In seinem Buch «Cacao and its allies: A taxonomic revision of the genus Theobroma» (1964) beschreibt José Cuatrecasas 22 Theobroma-Arten. Noch heute wird das Fruchtfleisch und die Samen von verschiedenen Theobroma-Arten von der lokalen Bevölkerung konsumiert. Seit einiger Zeit gibt es auch innovative Schokoladenhersteller, die vor Ort schokoladenähnliche Produkte aus Theobroma bicolor Bonpl. (in Mexiko bekannt als pataxte) und Theobroma grandiflorum (Willd. ex Spreng.) K. Schum. (in Brasilien bekannt als cupuaçu) herstellen. Sie sind weicher als Schokolade und komplex im Geschmack: Wir
können Erdnuss-, aber auch Mangonoten entdecken. In der Schweiz sind sie nicht erhältlich.
Innovation durch Einbezug von anderen Pflanzen

Rote Schokolade wurde mit Achiote (Bixa orellana L.) gefärbt. Mit grüner Vanille (Vanilla planifolia Andrews) bezieht er sich auf die weiss/grünlichen Blüten. Die Namen der anderen Blumen erwähnt Sahagún nicht. Wir wissen aber, dass neben unzähligen Chilli-Arten (Capsicum spp.), Hoja Santa (Piper auritum Kunth, Mecaxochitl), die mexikanische Magnolie (Magnolia mexicana DC.) und die Heilige Ohrblume (Cymbopetalum penduliflorum Baill.) wichtige Zutaten waren4. Letztere wurde später weitgehend durch Zimt aus Asien ersetzt. Heute gibt es noch hunderte verschiedene Schokoladengetränke in Mexiko. Eines ist tejate aus Oaxaca. Hier werden Kerne der Grossen Sapote (Pouteria sapota (Jacq.) H.E.Moore&Stearn), mit Florecita de Cacao (Quararibea funebris (La Llave) Vischer), Mais und Kakao zu einem samtigen kühlen Getränk angerührt. So wird Schokolade zu einem reichhaltigem Nahrungsmittel anstatt einer Süssigkeit.

Grössere Schokoladen Vielfalt bedeutet Diversifizierung der kultivierten Pflanzen und eine direkte Zusammenarbeit mit den Produzent:innen. So können biodiverse Schokoladenwälder entstehen, deren Besuch wahre Freude bereitet.
Andrea Thurner
von thesmallbatchproject.ch
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Am 6. Dezember, 12.30-13 Uhr, findet zu diesem Thema ein Vortrag im Grossen Hörsaal statt.
1 Chocosuisse, 2022, Faltblatt CHOCOSUISSE-Bulletin 2022 (Geschäftsjahr 2021),www.chocosuisse.ch/services/unterrichtsmaterial
2 Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), 2010, Verordnung des EDI über Zuckerarten, süsse Lebensmittel und
Kakaoerzeugnisse (Stand am 1. April 2010), 817.022.101, Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 2005 (LGV)
3 Leissle K., 2018, Cocoa, p 43, Polity Press
4 Coe S., Coe M, 2018, The True History of Chocolate 3rd Edition p. 87 ff, Thames & Hudson
Fotos
Kakaw Museo del Cacao, Chiapas Mexiko
Cielo Dentro
Andrea Thurner